Liebe Elli, lieber Theo,
wir hatten in den vergangenen zwei-elfzwölftel Jahren ja schon so ziemlich alle Familienbetreuungssituationen: Oma U. hier in Berlin, Papa und ich weg. Opa C. und L. im Hotel, wir auf einer Hochzeit. Oma B. und Opa D. bei uns, Euer Vater und ich auf Teneriffa. Bei diversen Konstellationen war es aber immer entweder so, dass Ihr in Eurer gewohnten Umgebung (also: zu Hause) wart – oder wir nur kurz und/oder nicht weit weg.
Diese Woche war es erstmals anders: Ihr habt Urlaub bei Oma und Opa gemacht, Hunderte Kilometer entfernt – während Euer Dad und ich (Arbeits-)Alltag zu Hause hatten. Vier Tage und vier Nächte ohne Euch.

Tja, was soll ich sagen? IHR hattet offensichtlich ziemlich viel Spaß. Eure Großeltern gingen mit Euch Schweine streicheln, Ziegen füttern, Kühe gucken. Auf große Spielplätze und in kleine Restaurants. Ihr pflücktet zusammen Erdbeeren, kochtet daraus „Opalade“ (dieses Wort erfandet Ihr schon vor längerem für das großelterlich-hausgemachte köstlichste Gelee aller Zeiten), wandertet bei Wind und Wetter durch Wiesen und Wälder, ließt Eure Namen von Opa in die dicksten aller gesammelten Stöcke schnitzen und Euch zeitgleich von Oma bekochen. Ihr saht Frösche, die eigenen Angaben zufolge „genau so groß wie Papi“ waren, lerntet, im Malbuch nicht mehr über den Strich zu malen – und bekamt ganz nebenbei noch neue Kleider, Hosen und Spielzeug gesponsert. Wellnesskur deluxe für U3-Jährige, sozusagen.
Zugegebenerweise: WIR haben die Ruhe nach Feierabend hier auch mal ein bisschen genossen. Waren zusammen in der Abendsonne joggen, beim Lieblingsvietnamesen essen und mit guten Drinks auf der Dachterrasse.

Tatsächlich ist auch die Dramaqueen in mir quasi in Teilzeit gegangen: Ich habe beim Abschied am Sonntag nicht mal geheult! Und vielleicht, aber nur ganz vielleicht (das gebe ich offiziell aber erst in 50 Jahren zu), hatten meine lieben Schwiegereltern auch Recht damit, dass es nicht ganz so viel Sinn macht, drei Mal am Tag zu facetimen.
Demnach hatte ich so wenig Kontakt zu Euch wie nie zuvor seitdem es Euch gibt (nur ein einziges Mal haben wir telefoniert, und zwar ganz altmodisch, ohne Videogedöns und so). Logische Konsequenz: partielle Sehnsuchtsattacken hoch 1000. Puh, was habe ich Euch vermisst, Himmelherrgott! Ich hatte allen Ernstes Entzugserscheinungen. Oder vielmehr: Phantom-Schmerzen. Echt jetzt.
Nachts wachte ich auf, weil ich meinte, einen von Euch im Kinderzimmer gehört zu haben. Da war: logischerweise nichts. In der Redaktion sah ich traditionsgemäß ab 14.45 Uhr nervös auf die Uhr. Dabei musste ich: ja gar nicht zur Kita hetzen. Und abends, beim Tisch decken, legte ich ganz automatisch die Lätzchen auf Eure Hochstühle. Und dann: natürlich unbenutzt wieder weg.

Je näher Eure Rückkehr rückte, desto größer wurde mein Kribbeln im Bauch, als sei ich eine 13-jährige, verknallte Teenagerin. Als ich gestern zum Bahnhof fuhr, um Euch und meine Mum, die Euch herbrachte, abzuholen, da hätte ich, wäre ich physisch dazu in der Lage, auf jeden Fall den ein oder anderen Flickflack über den Bahnsteig geschlagen. Und dann, als Ihr mir und Papi (der normalerweise nur bei Feueralarm um 15.30 Uhr das Büro verlässt, Ihr könnt Euch also was drauf einbilden, dass er ebenfalls kam*) freudestrahlend in die Arme ranntet, eröffnete in meinem Bauch die vermutlich größte Schmetterlingsfarm der Welt. Die Flattertierchen tanzten Samba mit mir, und durchfluteten meinen Körper mit dieser unbändigen Zwilli-Liebe, die in der Spitze des kleinen Zehs ebenso zu spüren ist wie hinter den Ohrläppchen. Als Du, Elli, dann beim Abendbrot noch mit halber Kartoffel im Mund erklärtest, dass Du mich „ganz schön vermisst“ hast und Du, Theo, mir kurz vor dem Einschlafen eine herzzerreißende Liebeserklärung ins Ohr schlabbertest, waren die Dämme dann doch gebrochen. Freudeliebesstolzglückstränenalarm.
Kurzum: Es ist TOLL, dass Ihr wieder da seid. Bei aller Zwillivaddi-Liebe, dem ausbleibenden Chaos an kinderlosen Tagen und der himmlischen Ruhe: Ohne Euch fühlt sich so vieles schlicht unvollständig an.
Das wollte ich nur mal gesagt haben.
Eure Zwillimuddi
*Er hat es nicht zugegeben, aber ich verwette meinen potentiellen Samstagslottogewinn darauf: phantomschmerz- und schmetterlingsfarmmäßig waren wir ziemlich gleich auf. Mindestens.