Die doppelte Ruhe vor dem Sturm: So war unsere #stayhome-Woche Nr. 2

Liebe Elli, lieber Theo,

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Den Kirschen sieht man’s jedenfalls nicht an, dass das der seltsamste aller Frühlinge ist.

diese zweite #stayhome-Woche war seltsam, irgendwie surreal. Der Frühling tut da draußen so, als sei nichts: Er lässt die Kirschen blühen, den Himmel in einem höchst hamburguntypischen Knallblau strahlen und diese neue, klare Luft so köstlich riechen, dass man hineinbeißen möchte. Die, die sich auskennen, sagen, es sei die Ruhe vor dem Sturm – bevor es auch in Deutschland so „richtig“ rund geht in Sachen Corona. Aber auch bei uns zu Hause ist es die Ruhe vor dem Sturm. Denn nächste Woche ist Schluss mit der entspannten „Mama-hat-Resturlaub-und-deshalb-ganz-viel-Zeit“-Phase.

Am 1. April nämlich, und das ist kein Aprilscherz, starte ich meinen neuen Job, auf den ich mich seit Wochen sehr-sehr-sehr freue. Und vermutlich werde ich zu der eher geringen Masse der Menschen zählen, die am ersten Arbeitstag in Schlabberbuxe und Pantoffeln antanzt. Denn Onboarding ist – wie sollte es zu Corona-Zeiten auch anders sein – natürlich im Homeoffice.

Aber dazu demnächst mehr. Hier erstmal das Protokoll von Coronalltagswoche Nummer zwei:

Montag, 23. März, Tag 8.

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Hurra, hurra, der Techniker war da.

Der Techniker kommt. Endlich. Ihr erinnert Euch: In Quarantäne-Woche Nr. Eins hatten Staubsauger UND Spülmaschine quasi zeitgleich beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Mit Mundschutz und Handschuhen klettert der Bosch-Mann in den Geschirrspüler und noch während ich mich über so viel Professionalität freue, reißt er sich die Maske aus dem Gesicht und hustet so heftig, dass ich kurz davor bin, ihm ein Stück Brot zu dem anzubieten, was er da von sich gibt. Wieso darf/muss jemand mit SOLCHEN Symptomen noch arbeiten? Statt des Super-Waschmaschinen-Reinigers, den er mir zum Sonderpreis von 19 Euro noch andreht, hätte ich eigentlich gern ein Sagrotan-Vollbad. Aber immerhin läuft die Spülmaschine wieder.

Dienstag, 24. März, Tag 9.

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Unser zweites zu Hause, der Wald. 

Kuriose Katerstimmung heute, nur Alkohol hatte keiner von uns. Wir radeln zum Bauernhof, das zählt aktuell zu den Tageshighlights, weil wir dann im Hofladen zusammen Milch zapfen und frische Erbsen kaufen und die halbe Tüte auf dem Heimweg schon futtern, wenn wir auf der alten umgestürzten Eiche im Wald Rast machen. Heute muss ich alleine Flaschen füllen und Schoten selektieren, denn pro Familie darf nur noch EINER ins Geschäft. Euch muss ich – wie zwei Hunde, nur ohne Leine – vor der Tür lassen. Später verkündest Du, Theo, auf dem Klo sitzend: „Mama, ich will übrigens mal Chef werden.“ Ich: „Wovon denn?“ Du: „Von ganz Deutschland. Dann verbiete ich nämlich Corona.“

Mittwoch, 25. März, Tag 10.

Unser Stundenplan (jetzt immerhin auch schon eine Woche alt) ist out. Ihr wollt einen neuen machen, habt aber vorher noch zu tun: Ihr spielt, dass Ihr mit dem Pferd nach Kambodscha reitet und dort im Bettwäschezelt übernachtet. Hach. I feel you. So sehr. Jaja, wir kommen gerade erst aus dem Urlaub, glücklicherweise, denn sonst wären diese Tage hier gerade nicht so entspannt. Aber dass es so gar keinen Reiselichtblick am Ende des Tunnels gibt, das ist oll und ziemlich untypisch für uns. Im Moment können wir nicht mal einen halben Tag an der 45 Minuten entfernten Ostsee planen. Denn Schleswig-Holstein ist gesperrt für Touristen. Kein Mensch weiß, wie lange noch. Mir fehlt das Meer. Mir fehlt so vieles. Und der inzwischen tägliche Familien-Videocall sorgt im Übrigen eher für noch mehr Sehnsucht.

Donnerstag, 26. März, Tag 11.

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Bunter Regenbogen gegen blödes Corona.

Ich gratuliere Larissa, deren Geburtstag heute ins Wasser fällt. Sie ist – als Anwältin – in Kurzarbeit. „Ich wäre so gerne mal wieder in Eile“, schreibt sie, und im ersten Moment nicke ich gedanklich vehement mit. Im nächsten sehe ich mich geduldig Pinsel in Wasserfarbe rührend, wir malen einen riesigen Regenbogen, den wir anschließend an das große Wohnzimmerfenster kleben – so wie Tausende Kinder es diese Woche machen. Ich frage mich, wann ich zuletzt so entspannt mit Euch gemalt habe und kann mich nicht erinnern. Die Eile, sie kommt noch früh genug zurück.

Freitag, 27. März, Tag 12.

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Regenbogenmalerei, Level 2.

Die Regenbogenmalerei geht weiter, heute auf der Straße. Ich sitze mit hochgekrempelter Jeans und Birkenstock-Latschen auf dem Gehweg, vernichte mit Euch Kreide und beschließe, im nächsten Leben Hippie zu werden. Später in der Badewanne sagst Du, Elli: „Mama, ich finde, Du bist eine wirklich gute Babysitterin.“ Ich muss lachen. Marshi sagt, dann könne ich ja jetzt endlich darüber nachdenken, eigene Kinder in die Welt zu setzen. Ich überlege mal. (Keine Sorge, dieses Thema habe ich mit Euch erfolgreich erledigt und sowas von abgeschlossen).

Samstag, 28. März, Tag 13.

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Picknick auf dem Acker: offenbar haben wir uns gleich zwei Mal strafbar gemacht.

Wir fahren zum See, picknicken auf einer Riesen-Wiese, lesen die Bücher aus der Bücherei, die dieses Mal nicht böse ist, weil wir wieder überfällig sind, denn auch sie hat bis mindestens Mai zu. Ich schaue Euch Sommersprossen sammelnd und sehr verliebt bei Euren „Nutella-Straciatella“-Klatschspielen (woher könnt Ihr die?) zu, und erst als nach einer Stunde alle Pistazienschalen leer sind, stellen wir (verrückten Stadtmenschen) fest, dass der XXL-Acker eine Weide war und wir den Kuhmist mit unserer Picknickdecke plattgedrückt haben. Ist aber immerhin nicht das einzige unerlaubte Ding, das wir an diesem Tag drehen. Denn wie ich später erfahre, ist selbst Picknick laut Seuchenschutzgesetz inzwischen offiziell verboten. Na Mahlzeit.

Sonntag, 29. März, Tag 14.

Vergesst, was ich zu Beginn des Briefes behauptete. Jetzt wo alles stillsteht, hat offenbar auch der Frühling keine Lust mehr: ES SCHNEIT. Dicke fette Flocken. Aber es ist nicht so, als hätten wir nichts zu tun. Wir kniffeln, starten mit Bügelperlen ins dritte Regenbogen-Level – und öffnen die dicken Umschläge, die Eure Vorschullehrerin Euch vor die Haustür gelegt hat. 24 Arbeitsblätter mit den ersten Hausaufgaben Eures Lebens. Für später habe ich Euch dieses neue DisneyPlus-Ding versprochen, und wenn das zur Abwechslung mal lädt und nicht so überfordert ist wie die Tage, weil außer uns noch so ca. 25.340.872 andere auf die Idee kommen, das auszuprobieren – dann genießen wir sie noch ein bisschen, die doppelte Ruhe vor dem Sturm.

Ich hab Euch lieb.

Eure Zwillimuddi

 

 

 

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Ein Gedanke zu “Die doppelte Ruhe vor dem Sturm: So war unsere #stayhome-Woche Nr. 2

  1. Hallöle, da ich auf seltsame Weise auf dich aufmerksam wurde und schon länger deine Briefe verfolge muß ich dir nun doch mal sagen wie zauberhaft sie sind. Es ist seltsam für mich sein Leben so öffentlich zu präsentieren, allerdings ist es für den Leser sehr berührend. Von dem was ich so mitbekommen habe kann ich nur sagen, du mußt ein sehr besonderer Mensch sein. Diese power, Warmherzigkeit und Authentizität begeistert. Ich wünsche einen Guten Start in die neue Arbeitswelt und weiterhin ein aufregendes, zufriedenes und gesundes Leben.
    Herzliche Grüße Su

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