Liebe Elli, lieber Theo,
ich sitze am Kölner Flughafen, ein paar Minuten noch, dann steige ich in den Flieger, der mich zurück zu Euch bringt. Ich weiß es nicht sicher, aber ich hoffe insgeheim, dass Ihr zwei mich mit Eurem Papa in Tegel erwartet – und platze gleich vor Freude auf unser Wiedersehen. Denn dieses Wochenende war mein allererstes ohne Euch, seitdem Ihr auf der Welt seid!
Tatsächlich waren wir seit Eurer Geburt nur zwei Nächte getrennt: Im vergangenen Dezember gönnten Euer Dad und ich uns eine Auszeit im Spreewald, und während unseres Mallorca-Urlaubs im Mai wurde ich von Eurem Papa nach Palma „entführt“. Beide Male passten Euer Opa und die beste Stiefoma der Welt auf Euch auf – und beide Male handelte es sich A) um maximal 24 Stunden Abwesenheit unsererseits und B) um eine räumliche Distanz von weniger als 100 Kilometern; ich hätte also jederzeit innerhalb einer Stunde wieder bei Euch sein können.
Dieses Mal sah das etwas anders aus: Ich flog nach NRW, um – zusammen mit Eurer Tante und Eurer Urgroßmutter – Eure Oma zum Geburtstag zu überraschen.

Rund 600 Kilometer trennten mich demnach von Euch, und da Ihr noch durch die Tiefen des Schlummerlandes wandeltet, als ich gestern früh zum Flughafen aufbrach, sahen wir uns Freitagabend zum letzten Mal aktiv, weshalb wir auf insgesamt zwei Tage Mama/Zwilli-Entzug kommen.
Mir ist klar, dass ich in dieser Sache tendenziell eine Spätzünderin bin: Die Eltern Eurer Großcousine flogen kurz nach dem ersten Geburtstag ihres Töchterchens für zwei Wochen in die Flitterwochen, die Mutter Eures (jüngeren!) Kumpels Hugo trat neulich ganz cool eine viertägige Dienstreise in die USA an. Eineinhalb Tage Rheinland also: Kindergarten, eigentlich. Trotzdem ging mir die Woche ganz schön die Pumpe.
Wie würde ich die Zeit ohne ich Euch überstehen? Würdet Ihr mich vermissen, Euch im Stich gelassen fühlen? Wie groß würde meine Sehnsucht sein?
Aber es hilft ja alles nichts, irgendwann MUSS man ja mal weg, und so sah ich es als kleine freiwillige Generalprobe, wenn demnächst im Job mal was anstehen sollte (habe ich bislang alles mit Tagesreisen hinbekommen). Witzigerweise fragten mich im Vorfeld ziemlich viele Menschen komplett überrascht, ob Euer Papa dann tatsächlich ZWEI Tage mit Euch alleine sein würde, ob er das denn hinkriege?
Hallo?! Ja natürlich kriegt er das hin! Oder anders: Wenn man es hinkriegen MUSS, dann kriegt man es auch hin – diese Erfahrung machte ich in den vergangenen 23 Monaten schließlich auch nicht nur einmal.
Ich zog es also durch. Und soll ich Euch was sagen? Es war keine einzige Minute schlimm!

Wir aßen Kuchen in der Sonne. Tranken Kaffee mit tollem Panorama-Blick auf den Rhein. Eure Tante und ich schwammen mit Oma und Uroma um die Wette, machten lustige Salz- und Honig-Peelings im Dampfbad, saunierten und entspannten. Bestellten abends Spargel, tranken köstlichen Rosé. Danach noch: Zimmerparty zu viert, wir köpften ein zweites Fläschchen, während Eure Urgroßmutter von dem Tag erzählte, als Eure Oma zur Welt kam. Heute Morgen dieses sündhaft-kalorienbombige Super-Frühstück, ohne Gehampel in Kinderstühlen und Geschmiere auf der Tischdecke.
Versteht mich nicht falsch: ich HABE Euch vermisst, vor allem dann, wenn ich andere Kinder sah. Dann packte mich die Sehnsucht so sehr, dass ich den dazugehörigen Eltern am liebsten kurzerhand eine kleine Babysittereinheit angeboten hätte (aber da natürlich nichts und niemand Euch ersetzen kann, ließ ich es). Auch als ich Euren Omas die neusten Bilder von Euch auf dem Handy zeigte, wäre ich am liebsten in das Gerät reingekrochen, um Euch nah zu sein.
Trotzdem: es war ein so guter Prozess – ein Prozess, der komplett normal ist, der dazu gehört, den jede Mutter durchmacht, der für mich aber dennoch besonders war: dieses Lösen, dieses Stückchen Freiheit, das wieder da ist, das bewusste Abnabeln für einen kurzen Zeitraum: ES FUNKTIONIERT! Und ich habe nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Denn Euch geht es offensichtlich blendend, Ihr wart mit Papa im Baumarkt, Eis essen und auf Spielplätzen, und als wir uns vorhin bei Facetime sahen, lächeltet Ihr einfach ziemlich lässig in die Kamera – als sei nichts gewesen.
Perfekte Voraussetzung für meinen demnächst anstehenden Kurztrip mit Lieblingsfreundin Christina (bis gestern hatte ich davor offen gestanden noch etwas Bammel). Jetzt aber erstmal: Zurück zu meinen Zwillis! So langsam bin ich nämlich ziemlich auf Turkey. Solltet Ihr mich tatsächlich am Flughafen abholen kommen, wundert Euch bitte nicht: die Tränen, die ich vergießen werden, haben nichts damit zu tun, dass ich traurig bin. Ich werde nur etwas im Auge haben…
Vorfreudige Grüße von Eurer Zwillimuddi