Liebe Elli, lieber Theo,
vor ein paar Tagen warf ich in der Redaktion mit einem Nebensatz in die Runde, dass ja nächsten Sonntag wieder Muttertag sei. Noch bevor es um konkrete Ideen zu diesem Thema ging, wurden bereits vereinzelt Augen verdreht. Ich konnte kaum bis drei zählen, da machte irgendwer den klassischen „Muttertag-ist-doch-jeden-Tag“-Spruch, kurz darauf hatte sich das Thema erledigt.
Parallel lief bei Twitter der Hashtag „Muttertagswunsch“ heiß. Die Idee: Mütter sagen, was sie zum Muttertag nicht brauchen (Gedichte/Blumen/Gebasteltes) und was sie stattdessen lieber hätten (Haushaltshilfe, wenn die Kinder krank sind/bezahlbaren Wohnraum für Familien/ein vereinfachtes Steuersystem, um mehr Zeit fürs Kind zu haben).
Tja, und wenn ich so zurückdenke, dann habe auch ich von meiner Mama oft erklärt bekommen, dass dieser Muttertag bloß ein Tag sei, an dem die Blumenhändler Dollarzeichen in den Augen hätten, sonst nichts. Als ich sie diese Woche am Telefon auf das Thema ansprach, ging sie noch weiter. „Muttertag ist ein Scheißtag“, sagte sie, lachte. Dieses Wort habe ich in meinem gesamten Leben vielleicht fünf Mal aus dem Mund Eurer Oma gehört, normalerweise redet sie ganz und gar nicht so (also vergesst das Wort schleunigst wieder!). „Im Ernst“, holte sie nochmal aus, „bestell jetzt bloß keinen Fleurop-Strauß. Ihr könnt mir an jedem anderen Tag des Jahres zeigen, dass Ihr mich lieb habt, dafür brauchen wir kein von Anderen bestimmtes Datum.“
Da hat sie Recht. Und natürlich ist die Aktion „Muttertagswunsch“ eine hübsche Idee (zumal die Initiatorinnen die Ideen bis zum 15. Mai sammeln und dann der Bundesregierung übergeben wollen), selbst die Reaktionen in der Redaktion kann ich komplett nachvollziehen, denn genauso reagierte auch ich in der Zeit vor Eurer Existenz vermutlich mehrfach auf das Thema.
Trotzdem wundere ich mich in diesen Tagen über die vehemente und offenbar sehr weit verbreitete Ablehnung der klassischen traditionellen Bräuche zum Muttertag. Wieso sagen gefühlte 99 Prozent aller Mütter, dass sie keine Blumen wollen? Was ist dagegen einzuwenden, sich einen Tag lang bedienen zu lassen, sich hochleben zu lassen für das, was man im Alltag so rockt? Ist Muttertag wirklich so ein „Scheißtag“?

Offen gestanden: Seitdem ich selbst Mama bin, kann ich es kaum erwarten, dass Ihr alt genug seid, um mir Gänseblümchen von der nächsten Hundewiese zu pflücken, mir große krakelige Herzen auf aussortiertes Druckerschmierpapier zu malen oder mir ein krümelndes Croissant ans frisch bezogene Bett zu bringen. Cool, diese Mütter, die sich solch hoch politischen Dinge zum Muttertag wünschen. Ich hingegen gehöre offensichtlich eher zur Sparte verkitschte Romantikmuddi und bin das größte Werbeopfer von Firmen wie Opel und Nivea, deren aktuelle Spots zwar nicht mal im Ansatz was mit Autos und Cremes zu tun haben, Menschen wie mich aber dafür lauthals aufheulen lassen.
Gehöre ich damit wirklich zu einer einsamen Spezie? Ist der übliche Anti-Blumen-Wunsch reine Koketterie? Freut sich am Ende nicht JEDE, wenn die Kinder DOCH eine kleine Überraschung parat haben?
Blitz-Umfrage in der Whatsapp-Muddigruppe. „Könnt Ihr was mit Muttertag anfangen, und wenn ja: was?“, will ich wissen, und innerhalb kürzester Zeit kommen Antworten, die gut tun. Quintessenz: Offen erwarten will tatsächlich kaum eine so richtig was, natürlich erst recht nicht von Kindern in Eurem Alter und auch nicht so wirklich über die Gatten-Bande gespielt. Unterm Strich scheint es aber wie am Valentinstag zu sein: So komplett leer auszugehen ist irgendwie auch doof. Kurzum: Solltet Ihr Euch eines Tages zufällig mit einem Eurer Kumpels aus dieser Runde besprechen, gebt gern weiter: Die anderen Mamas haben ebenso wenig wie ich was gegen ein kleines Aufmerksamkeitchen.
Das ist im Übrigen keine Aufforderung, eines Tages Euer Taschengeld zu verschleudern für Geschenke, die die Welt nicht braucht. Als ich Eure Oma nach ihren schlimmsten und schönsten Muttertagsmomenten fragte, überlegte sie kurz. Der schlimmste sei gewesen, als Eure Tante und ich unser Erspartes geopfert hätten, um ihr ein vergoldetes, mit Rosen gesäumtes Plastikherz im örtlichen Blumenladen zu erstehen. Die schönsten hingegen: wenn wir ihr Kaffee ans Bett brachten. Selbstgebrüht. Die größte Plörre, sagte sie. Sie trank ihn trotzdem, glückselig.

Ratet mal, was Eure Oma am Sonntag von mir bekommt?
Richtig: Kaffee. Aus einem meiner Lieblingskaffeeladen, mit „Ans-Bett-Bring-Gutschein“ für unser nächstes Wiedersehen. Und ich? Dieses Jahr wird das vermutlich nichts (Ihr: noch zu klein, ich: schiebe Sonntagsdienst in der Redaktion – also macht Euch keinen Kopf). Aber nächstes Jahr, da könntet Ihr über die Sache mit der Plörre auch mal nachdenken.
Kaffee im Bett: hatte ich seit JAHREN nicht. Ich freu mich schon! In Liebe,
Eure Zwillimuddi